Digitalisierte Mobilität mit der Wiesenttalbahn – eine Chance für die Bahn-Nebenstrecke im Wiesenttal

Den Klimawandel können wir nur mit nachhaltigen und ökologischen Transportlösungen meistern. Es gibt dringenden Handlungsbedarf, die Bahn als Rückgrat der Mobilität auf dem Land zu stärken!

Daher wagen wir eine optimistische Prognose: Im Jahr 2029 wird die Bahnstrecke von Streitberg/ Muggendorf an den Regelbetrieb und damit an das S-Bahnnetz der Metropolregion angeschlossen sein. Klingt utopisch?

Die kürzlich veröffentlichte Vorstudie zum Modellprojekt „BahnAutonom Bayern2029“ zeigt das Potential auf, wenn jetzt gehandelt wird: Das vorgeschlagene Digitalisierungslabor mit einem autonom fahrenden Demonstrator Schienenfahrzeug bietet die Chance für die Fränkische Schweiz zur Modellregion einer nachhaltigen Verkehrswende auf dem Land zu werden und den Anschluss an die Metropolregion Nürnberg zu schaffen. Ziel ist es vor Ablauf dieses Jahrzehnts

  • einen regulären und autonom fahrenden Zugverkehr
  • mit einer Taktverdichtung und
  • On-Demand Fahrten

auf der Wiesenttal-Strecke aufzubauen.

Auf Einladung der 1. Vorsitzenden der ILE Fränkische Schweiz Aktiv Christiane Meyer und dem Bürgermeister der Gemeinde Wiesenttal Marco Traunter fand am 9.Oktober 2021 in der Sonne 29 eine Diskussion Dr. Hennighausen von agilis, Prof. Cichon von der TH Nürnberg, Ministerialrat Schell vom Bayrischen Verkehrsministerium sowie Vertretern der Dampfbahn Fränkische Schweiz statt. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von den Projektinitiatoren Andreas Vogler und Robert Künzler, die auch Verfasser der gleichzeitig veröffentlichten Vorstudie zum Modellprojekt „BahnAutonom Bayern2029“ sind.

 

Die Begrüßung zur Veranstaltung übernahm die Bürgermeisterin
von Ebermannstadt Frau Christiane Meyer. Sie begrüßte ganz bewusst als ILE-Vorsitzende, denn das geplante Vorhaben betrifft nicht nur Ebermannstadt und Streitberg/ Wiesenttal, sondern auch die anderen Gemeinden der ILE Fränkische Schweiz AKTIV:

Pinzberg, Gosberg, Wiesenthau, Kirchehrenbach, Pretzfeld, Ebermannstadt, Wiesenttal und Gößweinstein.

Laut Prof. Cichon geht es dabei nicht nur um die technische Realisierbarkeit, die er positiv beurteilt, sondern auch um die Gleichwertigkeit der L ebensverhältnisse auf dem Land. Dr. Hennighausen als Betreiber sieht vor allem die Chance in den Randstunden das Angebot auszubauen.

Die Bürgermeister heben die Problematik der Mobilität für die Bevölkerungsgruppen ohne Führerschein und die Staubelastung in ihren Kommunen hervor, die durch neue Umfahrungstrassen auch nur an andere Stellen verlagert werden.

@ Andreas Vogler Studios

Der Vorstand der Dampfbahn, Hr. Füngers meinte, dass für ihn Automation in seinem ganzen Berufsleben als Schiffsbauer eine Selbstverständlichkeit war. Herr Obenauf, jüngster Stadtrat von Ebermannstatt, Jurist und leidenschaftlicher Lokführer des  Vereins, weist auf die hohe Fachkenntnis eines Triebfahrzeugführers hin und zweifelt, ob diese Kompetenzen so einfach automatisiert werden können. Auf die Heraus-forderung von Nebenbahnen angesprochen, überhaupt Triebfahrzeugführer zu finden und auszubilden, weist auch Ministerialrat Schell hin. Für ihn gilt es den Spagat zu schaffen durch Digitalisierung die Zukunft der Nebenbahn langfristig zu sichern, ohne den heute dringend gesuchten Triebfahrzeugführern die Zukunftsperspektive ihres Berufes zu nehmen. Herr Bigge, der Klimaschutzbeauftragte vom Landratsamt meinte, dass das Projekt zwar einen wichtigen Schritt zum Klimaschutz sei, es aber vieler weiterer Schritte bedarf. Ähnliche Stimmen kamen aus dem Publikum.

Die Studienverfasser betonten, dass BahnAutonom eine große Vision ist, aber ein geplantes stufenweises Vorgehen zielführender ist. Dr. Hennighausen merkte an, dass wer zu viel will, riskiert nichts zu bekommen. Er hob auch hervor, dass eine Stärkung des SPNV’s nicht alleine über Forderungen an die Politik geht: „Die Menschen müssten auch mal öfter das Auto stehen lassen und Bahn fahren, nur so könne man
Druck von unten aufbauen, um das Angebot zu erhöhen.“

Robert Künzler und Andreas Vogler schlugen sogar etwas Ähnliches vor wie die Jugend, dies mit „Fridays for Future“ macht: einen „Auto-F reiTag“ einlegen! Alle lassen ihr Auto jeden Freitag stehen und fahren mit dem ÖPNV zur Arbeit.

Fazit des Abends: Es ist nicht nur der politische Wille nötig, sondern auch die technische Innovation und eine engagierte Zivilgesellschaft ist gefragt.

Auf die Frage, weshalb die Verfasser das Projekt ‚nur‘ auf Bayern reduzierten, antworteten diese: „Dies liegt nicht daran, dass es nicht auch auf andere Länder anwendbar wäre, sondern daran, dass hier in Bayern das technische KnowHow zu finden ist und kurze Wege und Entscheidungsketten die Projektumsetzung effizienter gestalten. Schließlich gilt es Standortvorteile zugunsten einer Technologieführerschaft zu nutzen.“
Die Vorstudie wurde neben dem Bayerischen Verkehrsministerium, dem Eisenbahnverkehrsunternehmen agilis und Stadler Signalling hauptsächlich von der Nürnberger Stiftung „Innovation und Zukunft“ gefördert. Deren Gründerpaar Hr. und Fr. Schmitz schlugen vor, dass der Freistaat Bayern ja auch in Vorleistung gehen könnte, um damit ein L euchturmprojekt zu schaffen.
Als nächste Schritte sind die Gründung einer Projektgesellschaft und vertiefende Gespräche mit der Industrie vorgesehen, um im Rahmen von Jointventures und Forschungsförderung das Projekt BahnAutonom Bayern2029 noch vor Ende dieses Jahrzehnts zu vollenden.

Die Vorstudie ist auf Nachfrage per email zu beziehen von: av@andreasvogler.com

Marco Trautner (Gemeinde Wiesenttal), Christiane Meyer (1. Vorsitzende der ILE), Ministerialrat Schell (Ministerium für Verkehr), Dr. Henninghausen (agilis), Andreas Vogler und Robert Künzler (v.l.)

Die Autoren der Studie:

Andreas Vogler, Dipl. Arch. ETH studierte Architektur an der ETH Zürich und arbeitete anschließend in London, an der TU München, der TU Delft und als Gastprofessor an der Royal Academy in Kopenhagen. Forschungsschwerpunkte waren vorfabriziertes Bauen, Leichtbau und Weltraumarchitektur. Er ist Direktor des Andreas Vogler Studio in München. Das Büro arbeitet an Projekten in der Luft- und Raumfahrt, Zügen, wie auch an
innovativen Architekturkonzepten. Der Hochgeschwindigkeitszug AeroLiner3000, der zusammen mit dem DLR entwickelt wurde gewann mehrere Preise. Vogler ist Mitglied der bayerischen Architektenkammer, des Deutschen
Werkbundes, des American Institute of Aeronautics and Astronautics (AIAA) und des Bundes Deutscher Architekten BDA.

Robert Künzler graduierte 1991 am „Art Center College of Design“ in Pasadena/USA und Montreux/CH. Seit bald 25 Jahren ist er als Dipl. Industrie Designer in seinem Münchner Büro a|p|t design tätig und kann eine langjährige Erfahrung im Bereich für Investitionsgüter, insbesondere im Bereich „Public Transportation“ vorweisen. Er war für so unterschiedliche Projekte wie die z.B. die spanischen Talgozüge, Schindler Doppelstockzüge, Alstom Lokomotiven sowie bei AVS als Consultant für den AeroLiner3000 zuständig und verantwortlich für das Design
Management des Exteriors sowie Interiors. Seine langjährigen Kenntnisse im Bahnbereich und das Hintergrundwissen sind für ihn Ausgangslage zur Findung innovativer Lösungen bzgl. Design und Kundennutzen.

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